Das Value Reporting ist ein zentrales Element wirksamer Investor Relations. Dabei geht es um weit mehr als eine freiwillige, über die Richtlinien der Börsenaufsicht und weiteren Rechnungslegungsstandards hinausgehende Offenlegung. Vielmehr ermöglicht das Value Reporting Investoren zusätzliche, für ihre Entscheidungsfindung relevante Informationen zur Verfügung zu stellen. Die wertorientierte Berichterstattung soll eine Abschätzung der vergangenen und der zukünftigen Wertentwicklung ermöglichen und Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zwischen Managemententscheidungen und Wertschöpfung im Unternehmen aufzeigen.
Dabei bringt Value Reporting sowohl Nutzen als auch Kosten für ein Unternehmen mit sich: Es kann Informationsasymmetrien zwischen Investoren und Unternehmen abbauen, was die Glaubwürdigkeit des Managements erhöht und eine günstigere Kapitalmarktfinanzierung erlaubt. Andererseits kann umfangreiches Value Reporting aufwendig und in manchen Wettbewerbssituationen weniger förderlich sein. Deswegen ist es wichtig, dass das Management situationsabhängig eine passende Balance für das jeweilige Unternehmen anstrebt.
Im Rahmen des Value-Reporting-Ratings wird primär die Sicht von Investoren eingenommen, welche sich mit vertretbarem Zeitaufwand ein Bild über das Unternehmen machen möchten, das für eine potenzielle Investition in Betracht kommt. Im Bewertungsprozess wird jedoch auch berücksichtigt, dass sich das Value Reporting an eine Vielzahl von Adressaten richtet, die weit über Investoren hinaus reicht. Relevante Informationen sollten schliesslich auch für interessierte Kunden, Zulieferer, Rating-Agenturen, Kreditgeber, Anlageberater, die Wirtschaftspresse sowie die allgemeine Öffentlichkeit zielgruppengerecht kommuniziert werden.
Neben klassischen Aspekten des Value Reporting, wie der Kommunikation nicht-finanzieller Wertgrössen oder wertorientierter Managementvergütung, rücken die Themen Nachhaltigkeit und unternehmerische Gesellschaftsverantwortung («Corporate Social Responsibility», CSR) immer weiter in den Mittelpunkt. Schliesslich hat CSR eine hohe Bedeutung für eine Vielzahl an Interessengruppen der Unternehmen. Eine wachsende akademische Literatur weist zudem die Wertrelevanz von CSR nach. In der Berichterstattung ist eine Erweiterung der Perspektive um den globalen Fussabdruck eines Unternehmens daher gerade aus Sicht des Value Reporting zielführend.
Der Geschäftsbericht hat nicht zuletzt auch unternehmensintern eine hohe Bedeutung. So können die Zusammenstellung und die Aufbereitung der relevanten Informationen zu einer Schärfung der eigenen Ausrichtung und zu einer verbesserten internen Kommunikation beitragen. Die im Geschäftsbericht vermittelte Aufstellung des Unternehmens und seiner Werttreiber bietet in diesem Sinne auch für die eigenen Mitarbeitenden – insbesondere für Neuzugänge – eine wichtige Orientierung.
Das Value-Reporting-Rating 2020 wurde durch ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Wagner, Dr. Sascha Behnk und Leandro Künzli am Institut für Banking und Finance, IBF, der Universität Zürich durchgeführt. 37 qualifizierte und engagierte Studierende der Wirtschaftswissenschaften haben sowohl die allgemeine Berichterstattung (Value Reporting im Geschäftsbericht) als auch die Firmenwebsites (Value Reporting im Internet) nach betriebswirtschaftlichen Kriterien im Sinne des Value Reporting bewertet.1
Bei der Analyse der Geschäftsberichte spielen u. a. folgende Kriterien eine wichtige Rolle: substanzielle Hintergrundinformationen zum Unternehmen wie Erläuterungen zur Strategie, zu Produkten und Märkten sowie weitere, teils nicht-finanzielle Informationen, welche etwa Angaben zu zukunftsorientierten Investitionen, Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, Innovationen oder Markenführung beinhalten. Hinzu kommen Erläuterungen von Trends, wesentlichen Veränderungen und Zielsetzungen im Unternehmen sowie zu dessen Risikomanagement. Dabei greift die Value-Reporting-Jury die moderate, jedoch stetige Weiterentwicklung in der Reportingpraxis auf und legt die Messlatte in den verschiedenen Kriterienbereichen sukzessive höher.
Eine wichtige Frage ist dabei, welche Unternehmenspublikationen, die den eigentlichen Geschäftsbericht ergänzen oder darüber hinausgehen, von der Value-Reporting-Jury in ihrer Bewertung berücksichtigt werden. Auch hier wird den Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit Rechnung getragen. So stellen zunehmend viele Unternehmen zusätzlich zum gedruckten Geschäftsbericht weitere jährliche Berichte separat auf ihrer Website zur Verfügung, versenden diese aber bisweilen nicht mit dem Geschäftsbericht selbst. Dies ist insbesondere beim Thema Nachhaltigkeit der Fall. Aus diesem Grund werden Nachhaltigkeitsberichte proaktiv von der Jury in die Bewertung eingebunden, sofern ihre letzte Auflage zum Zeitpunkt des Ratings nicht mehr als drei Jahre alt ist. Weitere Zusatzpublikationen oder auf der Unternehmenswebsite verfügbare Informationen werden dann in das Rating einbezogen, sofern im eigentlichen Geschäftsbericht darauf verwiesen wird – zum Beispiel bei Nennung des entsprechenden Berichts bzw. Angabe der Internetadresse – oder sofern diese Berichte auf der Unternehmenswebsite in unmittelbarer Nähe zum Geschäftsbericht aufgeführt werden.
Dabei beobachtete die Value-Reporting-Jury während des diesjährigen Geschäftsberichte-Ratings erneut eine zunehmende Auslagerung von für das Value Reporting relevanten Themen in separate Berichte. Während dieses Vorgehen auf den ersten Blick eine zielgruppenorientiertere Bündelung der Informationen ermöglichen mag, kann eine entsprechende Zerfaserung gleichzeitig den Gesamtüberblick und damit die Auffindbarkeit möglicherweise relevanter Informationen für die verschiedenen Interessenten erschweren. Selbst für Finanzanalysten und «Zahlenmenschen» ist der qualitative, nicht-finanzielle Kontext zunehmend von Bedeutung. Zudem sei angemerkt, dass Informationen sehr oft über den gesamten Geschäftsbericht verteilt präsentiert werden, was es Investoren (und den qualifizierten Studierenden) erschwert, ein klares Bild des Unternehmens zu erhalten, ohne die oft mehrere hundert Seiten langen Berichte nach den entsprechend relevanten Informationen zu durchsuchen.
Eine Vielzahl an Unternehmen verzichtet mittlerweile aus unterschiedlichen Gründen gänzlich auf gedruckte Geschäftsberichte. Aus diesem Grund berücksichtigt die Value-Reporting-Jury seit dem Geschäftsberichtjahr 2014 auch die nur im Internet verfügbaren Berichte, welche meist als PDF oder in einigen wenigen Fällen primär als rein interaktive Website angeboten werden. Auch hier ist in Einzelfällen bereits eine Auslagerung von relevanten Themen aus dem gedruckten und dem digitalen Geschäftsbericht auf die Internetseite zu verzeichnen. Für diese Vorgehensweise erscheint eine explizite Verlinkung im Geschäftsbericht auf die entsprechenden Websites sinnvoll, welche nach Eindruck der Value-Reporting-Jury in Einzelfällen nicht immer gegeben ist.
In der Analyse des Value Reporting im Internet werden die Websites der Unternehmen aus der Perspektive eines Investors bewertet, welcher möglichst zeitnah zu den relevanten Informationen gelangen möchte. Folgende Bewertungskriterien werden dabei berücksichtigt: allgemeine Infos zum Unternehmen, Struktur und Funktionalität, Firmenkalender und Events, Pressemitteilungen und Ad-hoc-Publizität (sofern kotiert), Reports & Financials, Analystendokumentation, Aktionärsinformation, Corporate Governance und Corporate Social Responsibility, Investor-Relations-Archiv, Informationsservice und Social Media (Investor Relations 2.0) sowie die allgemeine Benutzerfreundlichkeit («Usability»).
Um dem Wandel der Anspruchsgruppen und der Technologie Rechnung zu tragen, wurden die Unterkriterien im Value Reporting im Internet in vergangenen Jahren angepasst, um den Bewertungsprozess in Einklang mit den stetig wachsenden Ansprüchen an digitale Inhalte zu bringen. In diesem Jahr wurde an den Kriterien keine Veränderung vorgenommen.
Beim Value Reporting im Internet sind einige wenige Unterkriterien spezifisch auf kotierte Unternehmen zugeschnitten. Da grundsätzlich nur kotierte Firmen die entsprechenden Anforderungen erfüllen können, werden diese Fragestellungen bei anderen Unternehmen in der Bewertung übersprungen und bei der Ermittlung der Endnoten nicht berücksichtigt. Eine ähnliche Regelung betraf bis 2018 auch Kriterien zum Value Reporting des gedruckten Geschäftsberichts. Seit 2019 werden jedoch für den Geschäftsbericht alle Kriterienpunkte auch für nicht-kotierte Unternehmen zugelassen. Dies betrifft im Wesentlichen Kriterien zur Ausschüttung der Unternehmen. Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass auch nicht-kotierte Unternehmen in der Praxis Ausschüttungen vornehmen, zum Beispiel an Fremdkapitalgeber oder, wie im Fall von Kantonalbanken, an Kanton und Gemeinden.
Bei der Bewertung der Geschäftsberichte wird jedes Kriterium mit Noten zwischen 1 (schlechteste Ausprägung) und 6 (beste Ausprägung) bewertet. Bei der Untersuchung des Value Reporting im Internet wird primär der Erfüllungsgrad (vorhanden/nicht vorhanden) der einzelnen Kriterien gemessen, wobei einige wenige Unterkriterien in Dreierschritten (0, 1 oder 2) bewertet werden. In beiden Kategorien (Print und Online) werden die Noten zu den Einzelkriterien gewichtet und jeweils eine Gesamtnote als Durchschnitt errechnet. Abschliessend fliesst die Gesamtnote des Geschäftsberichts zu 80% und die Gesamtnote des Internetauftritts zu 20% in das finale Value-Reporting-Rating ein.
Der vollständige Kriterienkatalog des Value Reporting (Print und Online) mit Berechnungsbeispielen und weiteren Regelungen zur Bewertung der Geschäftsberichte sowie weitere Auswertungen können auf der Website des IBF (http://www.bf.uzh.ch/value-reporting) eingesehen werden. Zusätzlich finden sich dort auch Beiträge, die im Rahmen des Forschungsprojekts «Value Reporting» am IBF entstanden sind.2
Aufgrund der ausserordentlichen Situation im Zusammenhang mit Covid-19 im diesjährigen Geschäftsberichte-Rating musste auch der Prozess der Value-Reporting-Jury angepasst werden. Um allen Sicherheitsvorschriften zu genügen, tagte die Jury online. Diese Umstellung brachte sowohl für die Koordinatoren als auch für die am Rating beteiligten Studierenden einige Herausforderungen mit sich. Neben organisatorischem Anpassungsbedarf konnten lediglich online verfügbare Berichte und Ergänzungen bewertet werden. Insgesamt darf aber festgestellt werden, dass die Qualität durch diese Umstellung nicht negativ beeinflusst wurde und sich sogar zusätzliche Betrachtungswinkel ergeben haben.
Der Sieger des Value-Reporting-Ratings 2020 heisst erneut Clariant. Das Unternehmen hatte bereits in den vergangenen zwei Jahren den Spitzenplatz im Value Reporting eingenommen und konnte im aktuellen Jahr den Informationsgehalt in verschiedenen Einzelkriterien noch weiter erhöhen. Dies zeigt sich unter anderem in den Bereichen Trendanalyse, Risikoinformationen sowie Management-Diskussion und Analyse des Jahresabschlusses. Insgesamt überzeugte das Unternehmen mit einer über alle Bewertungskriterien ausgeprägten Qualität in der wertorientierten Berichterstattung – sowohl in der gedruckten Variante des Geschäftsberichts als auch im Webauftritt des Unternehmens.
Die Value-Reporting-Jury wählte damit erneut einen integrierten Geschäftsbericht zum Jahresbesten. Dabei hat die grundsätzliche Herangehensweise der integrierten Berichterstattung deutliche Schnittmengen mit dem Value Reporting. Im Sinne einer zwar nicht immer ganz einfach lesbaren, aber doch insgesamt ganzheitlichen Betrachtung werden die verschiedenen Werttreiber im Unternehmen vorgestellt, betriebsinterne Zusammenhänge in der Wertschöpfung aufgezeigt und dabei alle relevanten Interessengruppen des Unternehmens berücksichtigt.3 Clariant hatte bereits 2017 den ersten integrierten Geschäftsbericht nach Vorgaben des International Integrated Reporting Councils, IIRC, veröffentlicht. Über die letzten drei Jahre gelang es Clariant, den Informationsgehalt des Integrated Report weiter auszubauen und entsprechend den Spitzenplatz zu verteidigen.
Clariant erreichte besonders hohe Punktzahlen in den Bereichen Allgemeiner Eindruck, Hintergrundinformationen, Zieldaten und Glaubwürdigkeit sowie Nachhaltigkeit. Das Unternehmen überzeugte zudem erneut auch online und nahm in der Kategorie «Value Reporting im Internet» den vierten Platz ein.
Auf Platz zwei in der Value-Reporting-Gesamtwertung liegt Swisscom, welche im vergangenen Jahr Platz drei erzielte. Auf Platz drei folgt LafargeHolcim, welche im Vorjahr auf Platz zwei lag. Trotz hoher Bewertungen reichte es für die nächstplatzierten Unternehmen VP Bank Vaduz, UBS, Geberit, Credit Suisse, Liechtensteinische Landesbank, Fischer und Sulzer nicht für die Top 3 im Value Reporting.
Die nachfolgende Übersicht zeigt die Rangierung der 20 Unternehmen, die im Value-Reporting-Rating 2020 am besten bewertet wurden.
Rangfolge Gesamtwertung | Value Reporting im | Value Reporting im |
1. Clariant | 2 | 4 |
2. Swisscom | 4 | 1 |
3. LafargeHolcim | 1 | 18 |
4. vp Bank Vaduz | 3 | 8 |
5. UBS | 9 | 2 |
6. Geberit | 5 | 19 |
7. Credit Suisse | 10 | 6 |
8. Liechtensteinische Landesbank | 6 | 35 |
9. Fischer | 17 | 3 |
10. Sulzer | 12 | 12 |
11. Roche | 14 | 11 |
12. Straumann | 7 | 67 |
13. Zurich Insurance Group | 20 | 10 |
14. Bank Vontobel | 8 | 95 |
15. Implenia | 13 | 37 |
16. SGS | 16 | 32 |
17. SIG Combibloc Group | 19 | 27 |
18. Swiss Re | 31 | 5 |
19. oc Oerlikon | 25 | 21 |
20. St. Galler Kantonalbank | 22 | 34 |
In Bezug auf die gedruckten Geschäftsberichte zeigt die inhaltliche Analyse, dass 72 von 241 Unternehmen (29.9%) beim Rating als genügend – sprich mit einer Gesamtnote von mindestens 4 – eingestuft wurden. Dieser Anteil liegt damit nach einem deutlichen Anstieg zwischen den Jahren 2015 und 2017 und einem konstanten Niveau über die letzten beiden Jahre (34.9%) unter dem Wert des Vorjahres. Es ist zu hoffen, dass dies keine Trendwende anzeigt. Jedenfalls zeigt das Resultat, dass bei vielen Unternehmen weiterhin ungenutztes Potenzial in der wertorientierten Berichterstattung im Geschäftsbericht besteht.
Unverändert zu den Vorjahren punkteten die Unternehmen besonders stark im Kriterium Allgemeiner Eindruck, in dem die Struktur, Auffindbarkeit und Übersicht, aber auch die sprachliche und grafische Darstellung im Geschäftsbericht bewertet wurden. 86.7% aller Unternehmen erhielten hier eine genügende Note, wie der nachfolgenden Tabelle entnommen werden kann. Zudem wurde die Qualität der Hintergrundinformationen bei 78.0% der Unternehmen mit einer mindestens genügenden Note bewertet – insbesondere in der Diskussion wichtiger Produkte des Unternehmens und im Bereich Organisation der Corporate Governance. Zudem erhielten 57.3% der bewerteten Unternehmen bei den Risikoinformationen eine genügende Note, wobei vor allem die Darstellung der Anwendung des Risikomanagements als gut empfunden wurde.
Kriterienblöcke | Durch- | Standard- | Prozentsatz der |
1. Allgemeiner Eindruck | 4.66 | 0.83 | 86.72 |
2. Hintergrundinformationen | 4.42 | 0.68 | 78.01 |
3. Wichtige Non-Financials | 3.07 | 0.91 | 19.09 |
4. Trendanalyse | 3.37 | 0.92 | 31.12 |
5. Risikoinformationen | 3.92 | 1.25 | 57.26 |
6. Wertorientierte Vergütungspolitik | 3.77 | 1.04 | 46.89 |
7. Management-Diskussion | 3.62 | 0.86 | 39.00 |
8. Zieldaten und Glaubwürdigkeit | 2.76 | 1.23 | 22.82 |
9. Nachhaltigkeit (Sustainability) | 3.36 | 1.69 | 46.06 |
Gesamt (ohne Internet) | 3.64 | 0.74 | 32.78 |
10. Value Reporting im Internet | 3.51 | 0.60 | 19.09 |
Gesamt (mit Internet) | 3.62 | 0.68 | 29.88 |
Die Value-Reporting-Jury stellte in diesem Jahr erneut fest, dass sich die Mehrzahl der Geschäftsberichte im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert hat. Entsprechend variieren die Durchschnittnoten in diesem Zeitraum auch nur bei wenigen Einzelkriterien deutlich. Vergleichsweise schlechter bewertet wurden die gedruckten Geschäftsberichte im Durchschnitt vor allem in den Bereichen Allgemeiner Eindruck, Risikoinformationen, Management-Diskussion und Zieldaten und Glaubwürdigkeit. Eine Erhöhung der durchschnittlichen Bewertung lässt sich hingegen nur in moderater Form in den Bereichen Hintergrundinformationen, Wichtige Non-Financials, Trendanalyse, wertorientierte Vergütungspolitik und Nachhaltigkeit (Sustainability) ausmachen.
Die im Vergleich zum Vorjahr in den meisten Unterkriterien leicht negativere Bewertung der Geschäftsberichte geht auch auf gestiegene Erwartungen der Value-Reporting-Jury in verschiedenen Aspekten zurück. Diese resultieren zum einen aus dem Aufgreifen von erhöhten Anforderungen der Investoren und anderer Interessengruppen, wie zum Beispiel im Fall der wichtigen Non-Financials, der wertorientierten Vergütung und der Nachhaltigkeit. Zum anderen basieren die gestiegenen Erwartungen aber auch darauf, dass einige Unternehmen durch beispielhafte Aufbereitung relevanter Informationen in bestimmten Kriterien
die «Best Practice»-Messlatte stetig höher legen.
So hat das Gros der Geschäftsberichte trotz der positiven Langfristentwicklung nach wie vor im Bereich der wichtigen Non-Financials erhebliches Verbesserungspotenzial. Investoren suchen oftmals vergeblich nach ausführlichen Informationen zu Investitionen in die Mitarbeitenden des Unternehmens, zur Markenpflege sowie zur Kunden- oder Mitarbeiterzufriedenheit, inklusive einer Untermauerung durch Umfrageergebnisse und konkrete Massnahmen. Im Bereich der Trendanalyse gibt es insbesondere bei der Darstellung des Investitionstrends über mehrere Jahre Nachholbedarf. Kritisiert wird zum Kriterium Trendanalyse allgemein, dass die Entwicklung zum Teil lediglich im Vorjahresvergleich aufgezeigt wird. Andere Geschäftsberichte stellen die langfristigen Entwicklungen zwar dar, bieten jedoch keine ausführliche Kommentierung dieser Trends – ein wesentlicher Aspekt aus Sicht des Value Reporting. Zudem ist es nach wie vor für Investoren nur selten möglich, im Bereich Zieldaten und Glaubwürdigkeit konkrete Quantifizierungen und Kommentierungen zu gesetzten Rentabilitätszielen zu finden. Dies erschwert Investoren die Einschätzung, ob es sich langfristig lohnt, in ein Unternehmen zu investieren.
Erfreulicherweise konnte im Reporting der unternehmerischen Nachhaltigkeit im Vergleich zum letzten Jahr eine deutliche Steigerung festgestellt werden. Erreichten im Vorjahr nur knapp 40% der Unternehmen eine genügende Bewertung, so sind es im Rating 2020 immerhin schon 46.1%. Auch in diesem Jahr gab es vereinzelt Unternehmen, die erstmalig eine Berichterstattung zum Thema Nachhaltigkeit veröffentlichten – sei es als separate Publikation oder als Kapitel im Geschäftsbericht. In diesem Kriterium gibt es im aktuellen Jahr jedoch erneut die grösste Diskrepanz zwischen Unternehmen (Standardabweichung: 1.69 Notenpunkte), welche vor allem daraus resultiert, dass einige Unternehmen kein Sustainability Reporting vornehmen, während ihre Konkurrenten zum Teil umfangreiche Berichte zu diesem Thema veröffentlichen. Auch bei vielen der Unternehmen, die bereits eine entsprechende Berichterstattung anfertigen, fehlen bisweilen quantitative Aussagen zur Umweltbelastung oder Sozialpolitik. Anstelle allgemeiner Texte mit vielen Platzhaltern sind hier im Sinne des Value Reporting vor allem Beschreibungen konkreter Projekte und Entwicklungen gefragt, die mit Zahlen und Beispielen hinterlegt werden. Positiv zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang, dass sich Unternehmen in ihrer Berichterstattung zur Nachhaltigkeit auch an internationalen Standards orientieren, wie zum Beispiel den Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI).
Auf dem Gebiet der wertorientierten Vergütungspolitik fehlt in vielen Fällen weiterhin eine Darlegung der im Berichtsjahr erreichten Ziele und der daraus abgeleiteten, variablen Vergütungsbestandteile in der Beschreibung des Vergütungssystems. Während immer mehr Unternehmen zumindest eine Zielerreichung auf aggregiertem Niveau veröffentlichen, werden in vielen Geschäftsberichten nach wie vor keine Angaben zu diesem Aspekt gemacht. So ist es für den Leser häufig schwierig, aus dem Geschäftsbericht einen klaren Eindruck vom Zusammenhang zwischen gezahlter Vergütung und erzielter Leistung der Geschäftsleitung (Pay-for-Performance) zu erhalten.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Darstellung von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen trotz eines minimalen Zuwachses im aktuellen Jahr bei den meisten Unternehmen erst in den Kinderschuhen steckt. Um sich als Investor ein integratives Bild über das Unternehmen zu verschaffen und Entscheidungen des Managements besser nachvollziehen zu können, wäre eine deutlichere Darstellung der kausalen Zusammenhänge in den wesentlichen Bereichen des Value Reporting in der Zukunft wünschenswert.
Neben dem eigentlichen Geschäftsbericht wurde auch die Online-Berichterstattung der Unternehmen von der Value-Reporting-Jury bewertet. Die aktuellen Entwicklungen und die daraus folgenden Veränderungen des Arbeitsalltags haben zusätzlich dazu geführt, dass die Kommunikation über Online-Kanäle an Wichtigkeit gewinnt. In den meisten Unterkriterien zeigte sich inhaltlich jedoch erneut relativ wenig Bewegung im Vergleich zum Vorjahr. Die Gesamtbewertung der Internetauftritte ist aus Investorenperspektive marginal positiver ausgefallen (1.5% mehr Unternehmen mit gesamthaft genügender Bewertung). Dies hat unter anderem den Grund, dass von der Value-Reporting-Jury auch im Online-Bereich aufgrund der sich stetig weiterentwickelnden technischen Möglichkeiten in Verbindung mit gestiegenen Informationsansprüchen von Investoren im aktuellen Jahr stetig höhere Massstäbe gesetzt wurden. Trotzdem sieht man nach wie vor in einigen Kriterienpunkten, dass die Digitalisierung und damit auch eine Verlagerung von Informationen zur wertorientierten Berichterstattung in den Webauftritt der Unternehmen weiter voranschreitet. Zudem sind einige Unternehmen in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, ihre Geschäftsberichte in den Internetauftritt zu integrieren. Sie haben dabei die Chance genutzt, diese wesentlich interaktiver zu gestalten.
In Bezug auf die durchschnittlich vergebenen Noten schnitten die Unternehmen besonders gut in den Bereichen Allgemeine Struktur und Funktionalität, Allgemeine Infos – Unternehmensübersicht sowie Pressemitteilungen und Ad-hoc-Publizität ab. Das Value Reporting im Internet bedarf vor allem in den Kategorien Firmenkalender und Events, Analystendokumentation sowie Investor-Relations-Archiv weiterer Verbesserungen. Zudem zeigt sich erneut in der Nutzung von Social Media zur Kommunikation mit Investoren ein hohes Ausbaupotenzial. Bemerkenswert ist dabei, dass selbst viele der Unternehmen, die in Bezug auf den gedruckten Geschäftsbericht sehr gut abschnitten, z. T. noch deutliches, unausgeschöpftes Potenzial im Online Value Reporting aufwiesen.
Viele Unternehmen verfügen zudem immer noch über einen verhältnismässig einfachen Webauftritt, der Investoren nur wenig zusätzlichen Informationsgehalt bietet. Dies steht im Widerspruch zu dem Trend, dass Investoren vermehrt auf dieses Medium zur Informationsgewinnung zurückgreifen. Zudem ist die Online-Berichterstattung natürlich ökologischer als das Drucken der Geschäftsberichte. Es bleibt abzuwarten, ob die Covid-19-Krise im nächsten Jahr einen Effekt auf die digitale Kommunikation der Unternehmen haben wird.
Folgende Durchschnittsdaten ergeben sich aus dem Value-Reporting-Rating 2020 für den Online-Bereich:
Kriterienblock Value Reporting | Durchschnitt | Prozentsatz der |
0 Allgemeine Infos – | 56.15 | 38.17 |
1 Allgemeine Struktur und | 91.95 | 98.76 |
2 Firmenkalender und Events | 36.27 | 28.22 |
3 Pressemitteilungen und | 53.60 | 39.00 |
4 Reports & Financials | 52.65 | 35.27 |
5 Analystendokumentation | 25.58 | 7.88 |
6 Aktionärsinformationen, | 51.12 | 41.08 |
7 Investor-Relations-Archiv | 42.35 | 20.75 |
8 Informationsservice und | 42.21 | 17.43 |
9 Usability | 49.04 | 18.26 |
Gesamt | 50.29 | 19.09 |
Viele Unternehmen sind spürbar bestrebt, ihre Berichterstattung zu verbessern. In einzelnen Fällen gibt es grössere Veränderungen, da sich Unternehmen entschlossen haben, deutlich mehr Informationen offenzulegen oder anders zu präsentieren. Solch deutliche Verbesserungen sind naturgemäss vorwiegend bei denjenigen Unternehmen möglich, die im Vorjahr noch im Mittelfeld oder im unteren Bereich des Rankings lagen. Hier können – abhängig von den Bewertungen im eigenen Umfeld der Rangliste – zum Teil auch moderate Punkterhöhungen für eine deutliche Verbesserung des Listenplatzes ausreichen.
Aus diesem Grund wurden von der Value-Reporting-Jury neben den reinen Punktzahlen auch qualitative Aspekte berücksichtigt und solche Unternehmen als Aufsteiger ausgezeichnet, deren deutliche Rangverbesserungen durch besondere Fortschritte im Geschäftsbericht erzielt wurden.
Im diesjährigen Value-Reporting-Rating ist der Motorrad-Hersteller Pierer Mobility (ehemals KTM), welcher neben seinen österreichischen Wurzeln im SPI gelistet ist, der Aufsteiger des Jahres. Das Unternehmen hat im Zuge seiner Umfirmierung den Lagebericht und darüber hinausgehende Information im Geschäftsbericht deutlich ausgebaut und konnte somit Punktgewinne in verschiedenen Bereichen des Value Reporting im Geschäftsbericht verzeichnen. Ein zentraler Punkt für die Verbesserung im Rating sind die neu aufbereiteten Hintergrundinformationen, insbesondere die Diskussion wichtiger Produkte. Zusätzlich bieten die überarbeiteten Non-Financials und die Management-Diskussion eine deutlich höhere Informationsdichte und vermögen wichtige Informationen zum Unternehmen zu vermitteln. Als Folge stieg Pierer Mobility im Vergleich zum Vorjahr um 81 Plätze.
Auf den zweiten Platz der Aufsteiger wählte die Value-Reporting-Jury die Immobiliengesellschaft PSP Swiss Property. Die Rangverbesserung um 58 Plätze basiert vor allem auf der deutlichen Überarbeitung und Ausdehnung der Berichterstattung über die Nachhaltigkeit des Unternehmens, welche als eigenständiges Kapitel in den Geschäftsbericht integriert ist. Dabei haben diese zusätzlichen Informationen nicht nur Auswirkungen auf den Kriterienbereich der Nachhaltigkeit, sondern auch auf den stark gewichteten Bereich der Wichtigen Non-Financials, welche auch auf den Umgang mit Stakeholder-Gruppen wie Mitarbeitenden und Kunden eingehen.
Schliesslich wurde das Telekommunikationsunternehmen Mobilezone von der Value-Reporting-Jury als drittplatzierter Aufsteiger ausgewählt. Das Unternehmen verbesserte sich um 51 Plätze. Neben Punktzunahmen in verschiedenen Bereichen war hier vor allem die erstmalige Aufnahme eines eigenständigen Kapitels zur Nachhaltigkeit des Unternehmens ausschlaggebend.
Unternehmen |
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Rang 1: PIERER Mobility |
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Rang 2: PSP |
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Rang 3: Mobilezone |
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(1) Mit dem vor 20 Jahren initiierten Projekt «Value Reporting» ist das IBF nachhaltig in der Forschung zu diesem Bereich engagiert. Wissenschaftlich wegleitend war dabei Labhart, P. A. (1999): Value Reporting. Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktes und Wertsteigerung durch Reporting. Zürich 1999.
(2)Eugster, F./Wagner, A. (2020): Value reporting and firm performance, Journal of International Accounting, Auditing and Taxation, September 2020, 100319. Herunterladbar: ssrn.com/abstract=1879804. Labhart, P./Volkart, R. (2009): Investor Relations als Wertsteigerungsmanagement. In: Kirchhoff, K. R./Piwinger, M. (Hrsg.): Praxishandbuch Investor Relations. Das Standardwerk der Finanzkommunikation. 2. Auflage, München 2009, S. 201–220. Gamper, P. Ch./Volkart, R./Wilde, M. (2006): Value Reporting und aktive Investor Relations – Instrumente der Transparenzsteigerung. In: Der Schweizer Treuhänder, Nr. 9, 2006, S. 642–647.
(3)Eugster, F./Wagner, A. (2019) stellen die wesentlichen Aspekte von Integrated Reporting und dem hier verwendeten Value-Reporting-Rating gegenüber. Sie finden grosse Übereinstimmung. Dies überrascht nicht weiter, leitet Integrated Reporting doch wesentliche Inspiration aus dem Value-Reporting-Konzept ab. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept des integrierten Reporting siehe Volkart, R. (2015): Finanzielle Berichterstattung im Wandel: Vom Jahresabschluss zum «Integrated Reporting». In: Der Schweizer Treuhänder, Nr. 6–7, 2015, S. 460–486.
(4)Während für den gedruckten Geschäftsbericht Noten von 1 bis 6 vergeben werden, wird die Punktvergabe im Bereich Value Reporting im Internet in Prozentsätzen ausgedrückt. Um diese in das Notensystem von 1 bis 6 zu übersetzen und damit vergleichbar zu machen, werden die Prozentsätze mit 5 multipliziert und anschliessend wird eine Einheit addiert (Prozentsatz*5+1).